Stress, lass nach…

Dauerhafter Stress macht uns krank. Bewusste Entspannung hilft, die negativen Folgen umzukehren – egal ob durch Sport, Meditation oder mithilfe eines kleinen Rituals.

Stress ist so alt, wie die Menschheit. Lauert Gefahr, produziert unser Körper Stresshormone, um sich bereit für Flucht oder Kampf zu machen. Blutdruck und Puls steigen die Muskeln spannen sich an, wir empfinden weniger Schmerz. „Stress ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern ein Überlebensprinzip. Heute sind wir aber selten an Leib und Leben bedroht. Der Stress sitzt meistens im Kopf“, sagt der Arzt und Gesundheitswissenschaftler Prof. Tobias Esch. Die Dosis macht das Gift, zu viel Stress macht uns krank. Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen und Demenz können die Folgen sein.

Doch es gibt eine gute Nachricht: Auch ein Entspannungsmechanismus ist evolutionär in uns angelegt. „Die Entspannung ist der physiologische Gegenspieler von Stress. Es passiert genau das Gleiche – nur andersherum“, erklärt Esch. Sobald wir entspannen, werden die durch Stress angestoßenen Prozesse nicht nur beendet, sondern sogar gegenreguliert: Der Blutdruck sinkt, die Muskulatur entspannt sich, das Immunsystem wird normalisiert, Verdauung darf wieder stattfinden. Dieser Zustand hilft dem Körper, sich zu erholen.

Was uns entspannt, ist dabei höchst unterschiedlich. Während die einen beim Meditieren runterfahren, entspannen andere durch Sport, wieder andere spielen ein Musikinstrument oder brauchen einen Abend mit Freunden. Ist das also Typsache? „Es gibt ganz unterschiedliche Wege, wie wir die Entspannungsantwort, die Relaxation Response, auslösen. Dieser Weg ist nicht festgelegt, sondern individuell gestaltbar“, so Esch. Wie wir uns entspannen, ist also vor allem Gewöhnungssache – und somit trainierbar.

Ein hervorragender Stresspuffer war Bewegung. Früher rannten wir vor dem Säbelzahntiger davon, heute sitzen wir regungslos am Schreibtisch – und unser Körper bekommt nicht die Chance, die Stresshormone abzubauen. Bewegung wirkt ganzheitlich und bringt uns in einen positiven Kreislauf: Sie minimiert nicht nur unsere Stressantwort, sondern setzt zudem stimmungsaufhellende Botenstoffe wie Endorphine oder Dopamin frei. So lässt regelmäßiger Ausdauersport die Nervenzellen im Hippocampus sprießen, Teil unseres Lern- und Belohnungssystems im Gehirn.

Sport und Meditation haben verblüffend ähnliche Effekte. Das weiß Esch aus seiner eigenen jahrelangen Forschung: „Die regelmäßige Wiederholung eines Vorgangs – egal ob es das Links-Rechts-Links beim Joggen oder die gleichmäßige Atmung beim Yoga ist – bringt uns in einen regelrechten Flow.“ Bei den meisten Entspannungsverfahren wie Meditation, Qigong oder Progressive Muskelentspannung spielt die Atmung deshalb eine essentielle Rolle. Dieses Prinzip können wir uns zunutze machen: Überlege dir ein ein Wort, ein Bild, eine Melodie oder ein kleines Mantra, schließe deine Augen und atme ruhig ein – beim Ausatmen stellst du dir das gewählte Wort, Bild oder Geräusch vor. Wiederhole diese Übung regelmäßig, am besten täglich, setze damit einen Entspannungsanker im Alltag.

Viele zieht es nach einem langen Tag aber aufs Sofa. Doch können wir dabei wirklich entspannen? „Das kann durchaus eine Entspannungsreaktion auslösen. Ablenkung vom Gedankenkarussell ist erst mal positiv“, erklärt Esch. Allerdings sehen wir uns häufig Dinge an, die bei vielen wieder neuen Stress auslösen – also Mord, Action, das Weltgeschehen -, greifen dabei zu Bier, Chips und Schokolade und bewegen uns nicht. Die ganze Stressenergie verbleibt im Körper. Also: Besser nicht jeden Abend auf dem Sofa abhängen. Esch und sein Team haben übrigens die physiologische Entspannungsantwort von einem Fernsehabend allein und einem Treffen mit Freunden im Park verglichen. Die Erholung war bei Letzterem deutlich größer. Sich aufzuraffen lohnt sich also! Immer!

Was passiert bei Entspannung im Körper?

 

–> Hormone: Stresshormone wie das Cortisol werden gesenkt, gleichzeitig werden stimmungsaufhellende Botenstoffe ausgeschüttet.

–> Herz-Kreislauf-System: Die Herzfrequenz sinkt und damit auch unser Energiebedarf – wir benötigen weniger Sauerstoff und Glukose. Die Gefäße werden weiter, die Durchblutung besser, Blutdruck und Puls gesenkt.

–> Atmung: Wir atmen gleichmäßiger und langsamer, weil unser Körper im entspannten Zustand weniger Sauerstoff benötigt.

–> Muskulatur: Sind wir gestresst, spannen sich unsere Muskeln an. Das kann auf Dauer zu chronischen Verspannungen führen. Entspannen wir uns, lässt auch die Muskelspannung nach.

–> Haut: Viele Menschen reagieren mit kalten, schwitzigen Händen auf Stress. Bei der Entspannung passiert das Gegenteil: Durch die Wertung der Gefäße verbreitet sich ein Wärmegefühl in den Extremitäten.

–> Verdauung und Sexualität: Bei Stress schaltet der Körper „unnötige Energieverbraucher“ wie unsere Verdauung oder unseren Sexualtrieb auf Stand-By. Entspannung kehrt diesen Prozess um.