Achtsamkeit: Seit ein paar Jahren ist sie eins der großen Themen unserer Zeit. Du hast diesen Begriff sicher auch schon einmal gehört. Häufig wird diese Entspannungstechnik als Allheilmittel für ein ausgeglichenes Leben gesehen, und noch dazu soll sie leicht zu erlernen sein. Ihren Ursprung hat die Achtsamkeit im Buddhismus. Schon vor 2.600 Jahren lehrte Buddha sie als Säule seiner sogenannten Erfahrungsreligion. Dass sie bis heute praktiziert wird, könnte daran liegen, dass sie seit mehr als 2.000 Jahren wirkt.
Was ist Achtsamkeit?
„Achtsam sein bedeutet: Mit Herz und Geist gegenwärtig sein. Wir sind aufmerksam für das, was in uns geschieht, von Moment zu Moment. Dadurch nehmen wir uns selbst klarer wahr. Studien zeigen zum Beispiel, dass wir durch Achtsamkeitstraining unseren Körper deutlicher spüren. Wenn wir mit dem Körper in Kontakt sind, erleben wir auch unsere Gefühle klarer und intensiver. Wir verstehen besser, was in uns vorgeht. Wir können zum Beispiel beobachten, wie wir uns durch Gedanken selbst aufbauen – oder eben runterziehe. Wichtig ist allerdings, dass man sich nicht in Achtsamkeit übt, um krampfhaft etwas zu verbessern. Hilfreich ist vielmehr eine liebevolle, interessierte und verspielte Haltung sich selbst und dem Leben gegenüber.
Was hat Achtsamkeit mit Meditation zu tun?
„Meditation ist eine Form, sich in Achtsamkeit zu üben. Es gibt sehr viele verschiedene Formen der Meditation. Man kann sich zum Beispiel auf den Körper, auf Gedanken oder auf Gefühle konzentrieren. Man kann im Sitzen, Stehen, Liegen oder in Bewegung üben. In einigen Meditationen stärkt man neben der reinen Achtsamkeit noch weitere hilfreiche Qualitäten, wie zum Beispiel Liebe, Mitgefühl oder Dankbarkeit. Meditieren hilft uns, Achtsamkeit in ruhigen Bedingungen zu üben – damit wir in der Hektik des Alltags darauf zugreifen können. Wenn wir schwimmen lernen, beginnen wir damit ja auch am besten in ruhigem Wasser. Durch Strömungen und Wellen zu schwimmen, ist dann die zweite Stufe.
Wie kann ich Achtsamkeit praktizieren?
Es gibt viele kleine Übungen, mit denen wir Achtsamkeit in den Alltag bringen können. Zum Beispiel ALI. Der Begriff stammt vom Achtsamkeitslehrer Kai Romhardt. Er steht für Atmen, Lächeln, Innehalten. Es geht darum, eine kurze innere Pause in unseren Alltag zu bringen. Das können zwei Minuten sein, in denen wir bei der Arbeit aufstehen und ans Fenster treten. Es können auch drei Sekunden sein, bevor ich den Telefonanruf annehme. Oder ich nehme mir diese Pause bei einem kleinen Spaziergang im Freien. Erst atme ich ein und wieder aus. Danach nehme ich einfach wahr, wie der Atem fließt. Ich lächle mir zu. Das kann ein inneres oder ein äußeres Lächeln sein. Und ich halte inne. Das heißt, ich nehme war. Was geht gerade in mir vor? Wie fühle ich mich
Woran merke ich, dass mein Achtsamkeitstraining wirkt?
Unterschiedliche Menschen spüren unterschiedliche Effekte zuerst. Einige fühlen sich ruhiger und gelassener. Andere leichter und klarer. Einige merken, dass sie ihren Körper besser spüren und ihre Gefühle intensiver werden. Manche Teilnehmer*innen von Achtsamkeitskursen berichten, dass andere Menschen ihnen sagen, sie wirken neuerdings so ausgeglichen und glücklich. Die Effekte von Meditation sind sehr individuell und brauchen unterschiedlich lange. Wissenschaftlich können wir einige psychische und körperliche Veränderungen bereits nach drei Tagen nachweisen, andere erst nach sechs Monaten. Es lohnt sich, ein bisschen Geduld zu haben und die Praxis zumindest für ein paar Wochen auszuprobieren. Die Effekte dieser feineren Wahrnehmung sind breit: Nachgewiesen ist beispielsweise, dass das Achtsamkeitstraining dabei hilft, uns weniger gestresst und ängstlich zu fühlen. Wir werden gelassener und zufriedener. Es gibt auch Effekte auf Konzentrationsfähigkeit und Kreativität.
Verändert Achtsamkeit mich auch körperlich?
Seit etwa 15 Jahren wissen wir, dass Achtsamkeit das Gehirn verändert. es gibt sichtbare Veränderungen in der Zellverteilung und den Verbindungen in unserem Gehirn. So hat Achtsamkeitstraining etwa Einfluss auf die Insula – einen Bereich, der eng mit Körperwahrnehmung und Gefühlen verknüpft ist. Aber die Veränderungen gehen weit über das Gehirn hinaus. Es gibt auch Effekte auf Stresshormone und vermutlich auch auf das Immunsystem. Auch die Balance peripherer Nerven – also derer, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen – wird beeinflusst. So fällt es uns leichter, den Körper nach Belastung wieder in einen Ruhemodus zu versetzen.
Wie starte ich am besten? Muss ich einen Kurs besuchen?
Ein Kurs kann ein hilfreicher Einstieg sein. Denn dort lern man mit anderen Menschen zusammen. Das kann motivierend wirken. Und man hat idealerweise einen qualifizierten Lehrer, der unterstützend dabei ist und dir zur Seite steht. Es lohnt sich auch auf die Ausbildung deines Lehrers zu schauen. Lehrende, die in Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) geschult sind, haben zum Beispiel eine gründliche Ausbildung genossen. Wenn man keinen Kurs in seiner Nähe findet oder erst einmal mit etwas weniger Zeitaufwand anfangen will, dann kann auch eine App hilfreich sein. Gute Apps haben sinnvoll aufeinander abgestimmte Inhalte und orientieren sich an wissenschaftlichen Standards. Sie haben den Vorteil, dass man unabhängig von Ort und Zeit und in seinem eigenen Tempo lernen kann.
Meine Tage sind so voll. Wie viel Zeit sollte ich mitnehmen?
Es gibt da keine Mindestdosis. Wenn man sich morgens nach dem Aufstehen drei Minuten streckt und seinen Körper spürt, ist das schon ein Anfang. Aber je mehr Zeit man sich nimmt, umso tiefer kann man einsteigen. Innerhalb von zehn Minuten finden viele Menschen bereits zu einer gewissen Ruhe. Die ermöglicht es, uns selbst klarer zu sehen. Die meisten von uns haben volle Tage. Da kann die Meditation schnell als ein weiterer Punkt auf der To-Do-Liste erscheinen. Und natürlich braucht es ein kleines bisschen Disziplin. Aber es geht nicht um Leistung. Wir sorgen mit der Meditation für uns selbst. Wir nehmen uns Zeit für das Wesentliche: für das Glück. Das macht uns übrigens auch nachweislich fürsorglicher gegenüber anderen Personen. Diese Perspektive kann uns vielleicht sogar motivieren.
Wie kann ich Achtsamkeit in den Tag integrieren?
Nach dem Aufwachen: Schon direkt nach dem Aufwachen kann Achtsamkeit trainiert werden. Stehe nicht sofort auf, sondern nehme dir mit geschlossenen Augen ein paar Minuten Zeit , um alles Mögliche wahrzunehmen. Vogelgezwitscher, die Raumtemperatur, die Schwere der Bettdecke. Dabei einfach auf die Atmung konzentrieren.
Zwischendurch: In einer kurzen Pause die Augen schließen und einen Gegenstand in die Hand nehmen. Das kann zum Beispiel ein Stift sein, ein Apfel, ein Stein. Den Gegenstand genau ertasten und ihn in Gedanken beschreiben, so dass ein Bild vor deinem inneren Auge entsteht.