Besser in Bewegung – Warum die Knie nicht geschont werden wollen

Kniefreundlich Sport machen? Solange es nicht Hochrisiko-Sportarten sind, wiegt der Nutzen von Sport das Risiko einer Verletzung auf. Denn nur durch regelmäßige Bewegung kann dem größten Knieproblem vorgebeugt werden: Arthrose!

Gehen und rennen, springen oder stehen: Ohne unsere Knie wäre das nicht möglich. Nur machen sich die wenigsten darüber Gedanken, solange die beiden Gelenke, die Ober- und Unterschenkel miteinander verbinden, nicht schmerzen. Das Kniegelenk leistet seine Dienste meist unbemerkt. Dabei könnte es durchaus auftrumpfen: Es ist das größte und kräftigste Gelenk unseres Körpers und allein beim Gehen wirkt darauf eine Kraft des 2,5-Fachen unseres Körpergewichts ein! Bei schneller Fortbewegung belasten wir es mit dem Drei- bis Vierfachen, bergab mit dem Achtfachen des Körpergewichts.

Bei einem 80-Kilo-Menschen sind das allein beim Gehen 200 Kilo Last, die das Gelenk nicht nur halten können, sondern unter der es sich auch beugen, strecken und etwas nach innen und außen drehen muss. Damit das klappt, wird das sogenannte Dreh-Scharniergelenk mit vielen Bändern, Sehnen und Muskeln zusammengehalten. Knorpel, Menisken, Kniescheibe und Schleimbeutel sorgen für reibungslose Funktion. „Knie zählen zu den meistbelasteten Gelenken“, bestätigt Prof. Dr. Steffen Schröter, Chefarzt des Diakonie-Klinikums Jung-Stilling in Siegen und Vizepräsident der Deutschen Kniegesellschaft. „Viele denken an ihren Rücken, aber die Knie hat kaum jemand im Blick. Dabei sind sie für Mobilität extrem wichtig – und Bewegung ist wichtig für die Knie.“

Die großen Probleme entstünden vor allem dann, wenn die Knie durch Verschleiß, also Arthrose, nicht mehr richtig funktionieren und schmerzen. „Ausgelöst ist das häufig durch Übergewicht und Bewegungsmangel. Die Menschen vermeiden, was ihnen präventiv geholfen hätte – und was vor allem auch bei der Arthrose therapeutisch wirken wür­de“, erklärt der Unfallchirurg und Orthopä­de. Übermäßiges Körpergewicht führt dazu, dass Gelenke, Bänder und Sehnen bei je­ der Bewegung eine noch höhere Last zu tragen haben.

Sport kann OP verhindern

Selbst wenn das Gelenk bereits stärker ge­schädigt ist, kann eine Gewichtsreduktion die Schmerzen deutlich senken. Und recht­zeitig kombiniert mit regelmäßiger Bewe­gung würden Patienten nicht nur dem Schmerz entgegenwirken, sondern sich teil­weise auch eine Operation ersparen können, etwa das Einsetzen einer Knieprothese. „Aber die Realität zeigt, dass die meisten Menschen lieber eine Operation in Kauf neh­men, als 30 Kilogramm Gewicht zu verlieren und moderaten Sport zu betreiben“, bemerkt Schröter. Dazu kommt: Viele Patienten mit Knieproblemen suchen erst dann Hilfe, wenn sie schon so eingeschränkt sind, dass Aktivi­tät kaum mehr möglich ist – ein Teufelskreis.

Dabei sind die Gründe für regelmäßiges Training und körperliche Aktivität zahl­reich: „Sport stärkt die Muskulatur, verbes­sert die Stabilität der Gelenke und fördert die Beweglichkeit. Das schützt die Knie und hilft auch im Alltag – zum Beispiel beim Treppen­ steigen oder Aufstehen von einem Stuhl“, zählt Steffen Schröter auf. Durch die Bewe­gung wird der Stoffwechsel in den Gelenken angeregt und der Blutfluss gesteigert. Die Ge­lenkflüssigkeit wird stärker mit Nährstoffen versorgt, die durch die Bewegung auch besser in den Gelenkknorpel gelangen: Wie ein Schwamm drückt er sich unter Last etwas zu­ sammen und gibt Abfallprodukte ab, um an­ schließend bei Entlastung Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit aufzunehmen.

Natürlich können auch beim Sport Knie­probleme entstehen. „Bei sportlich aktiven Menschen ist das Knie durchaus verletzungs­anfällig“, erklärt Prof. Dr. Andrea Meurer, Chefärztin der Medical Park Kliniken in Bad Wiessee. „Ich denke an die klassische Kreuz­bandverletzung – ein typischer Verdreh­unfall bei riskanten Sportarten wie beispiels­weise Skifahren.“ Laut der Auswertungsstel­le für Skiunfälle entstehen am Knie die häufigsten Verletzungen: 28 Prozent der 8.000 Skiunfälle jährlich. Aber auch bei Sportarten wie Handball oder Fußball sind Unfälle häufig, bei denen das Knie in Mitlei­denschaft gezogen wird.

Muskeln und Gelenke auf die Belastung vorbereiten

In der Regel gilt: Wer nur hin und wieder am Wochenende auf dem Platz bolzt, trägt ein höheres Verletzungsrisiko als jemand, der regelmäßig trainiert. Noch größer ist das Ri­siko, wenn man zwar einmal im Jahr eine Woche Skialpin fährt, sich sonst aber wenig bewegt. Denn dann sind die Muskeln und Gelenke nicht auf die Belastung vorbereitet.

„Das Risiko lässt sich minimieren, wenn Hobby­-Sportler die Haltemuskulatur stär­ken“, erklärt die Expertin im Bereich der Or­thopädie und Unfallchirurgie. Etwa indem sie zusätzlich Sportarten betreiben, die knie­freundlich sind. Gut trainierte Beinmuskeln sichern die Gelenkführung, entlasten das Kniegelenk und schützen den Knorpel. Beim Schwimmen oder Radfahren etwa wirkt wenig Gewicht auf das Knie ein, beim Nordic Walking oder auf dem Crosstrainer wird das Gelenk ebenfalls schonend bewegt.

Arthrose doppelt vorbeugen

Auch Laufen, die beliebteste Art, fit zu bleiben, sehen die Experten unkritisch: „Wer normalgewichtig ist, für den werden durch Laufen die Knie nicht zum Problem werden“, erklärt die Expertin. „Das Wichtigste ist, dass es Spaß macht, denn nur dann bleiben die Menschen dran.“ Und mit einer gut trainierten Beinmuskulatur beugen junge Menschen späterer Arthrose doppelt vor: weil sie vor Verletzungen schützt, die wiederum das Risiko einer Verschleißerscheinung erhöhen können. Meurers Tipps für kniefreundliches Laufen: erstens das richtige Schuhwerk, das gut abfedert, zweitens einen weicheren Untergrund, zum Beispiel Waldboden, wählen. „Und bitte nicht ohne Grund und ärztlichen Rat stets Bandagen tragen! Die sorgen nicht etwa für zusätzlichen Halt, sie hindern den Muskel vielmehr daran, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen.“ Und am besten kann die Muskulatur den nötigen Halt geben, wenn sie gut trainiert ist: durch regelmäßige Bewegung.